Beschreibung und Geschichte des Palastes der Republik

Beschreibung und Geschichte des Palastes der Republik und Entwicklungspotential des asbestsanierten Gebäudes (von Prof. Dr. Ing. habil. Wolf R. Eisentraut; Architekt BDA, Berlin)
Vortrag / Kurzfassung, 22.06.2001
(Daten und Formulierungen stammen von der Homepage des BMVBW, ich mache sie mir hier nicht zu eigen, sondern gebe sie hier wieder, da sich der Ursprungsort der Daten öfter verschiebt und somit ein direkter Link ins Leere läuft)

Während viele vom Schloss träumen, wird vergessen, dass der Ort gegenwärtig noch von einem Gebäude besetzt ist, dem Palast der Republik, einem Gebäude, das die wesentlichen Elemente des gesuchten Nutzungsprogramms für den Ort schon in sich vergegenständlicht hat.

Die Geschichte des Palastes beginnt nicht mit dem Abriss des kriegszerstörten Schlosses. Zunächst verfolgte man unterschiedliche Konzepte staatlicher Repräsentationsbauten. Eine zentrales Regierungsgebäude in pseudoklassizistischem Stil wurde aber, wohl aus Geldmangel, nicht verwirklicht. Stattdessen war der Ort über Jahrzehnte Aufmarsch- Demonstrationsplatz, mitunter auch Weihnachtsmarkt. Ansonsten zeichnete er sich aber durch grauenerregende Leere aus. So war es dann ein entscheidender stadträumlicher und kultureller Fortschritt, als von 1973 bis 1976 anstelle der Demonstrationstribüne ein Gebäude errichtet wurde, das die Stadtbrache besetzte und öffentliche kulturelle Nutzungsmöglichkeiten bot, dem Standort im Zentrum der damals halben Stadt angemessen und dieser eine Mitte gebend.

Vor dem Hintergrund des personellen Machtwechsels 1971 in der DDR, vor allem aber der damals stattfindenden außenpolitischen Aufwertung und innerpolitischen Orientierung auf die sozialpolitischen Maßnahmen erhielt der Architekt Graffunder, ausgewiesen als erfolgreich und moderner Architekturauffassung verpflichtet, 1972 den Auftrag zum Entwurf eines Gebäudes, in welchem ein Saal für die Volkskammer und Kongresse und ein Saal für große Kultur- und Sportveranstaltungen sowie Parteitage Platz finden. Mehr war als Programm nicht vorgegeben und dass daraus schließlich ein Gebäude aktiver kultureller Nutzung durch die Bevölkerung wurde, ein Volkshaus gleichsam, dokumentiert die geistige Leistung und die Ausschöpfung jedes möglichen Handlungsspielraumes durch die Planer des dafür gebildeten Kollektivs. So ist ein Aspekt geschichtlicher Bedeutung hervorzuheben: Anstelle eines abgeschlossenen Regierungsgebäude entstand ein öffentliches Haus für Kultur und Kongresse, anstelle poststalinistischer Architektur entstand ein Werk der Moderne. Und ein wesentlicher Aspekt zur Entwicklung der Bautypologien der Neuzeit ist die bisher immer noch einmalige Kombination von Parlamentsbetrieb und gleichzeitiger öffentlich-kultureller Funktion, wie man das dortige Parlament auch bewerten mag.

Im Gebäudeentwurf stellen sich so die beiden Säle als bestimmende Raumelemente dar, die besondere Qualität wird aber durch die verbindenden Elemente ausgemacht. Eingangshalle und Foyer dienen nicht nur zur Erschließung derselben, sondern sind als eigenständiges Raumensemble ausgebildet. Die Foyerhalle gleichsam als überdeckter öffentlicher Stadtraum, offen für Verweilen und Begegnungen, anregend für vielerlei kommunikative Erlebnisse, nutzbar ebenso als Veranstaltungshalle, ist nicht nur Mittelpunkt des Gebäudes, sondern auch Schnittpunkt der wichtigen stadträumlichen Achsen Unter den Linden und Rathaus/Liebknechtstraße/Alex. So ist auch die architektonische Erscheinung charakterisiert von der kontrastierenden Raumgliederung der Abgeschlossenheit der Säle und der Öffnung der Foyers in die Umgebung des Stadtraumes, welcher gleichsam in die Komposition des Gebäudes einbezogen ist. Solches spiegelt sich auch in der architektonischen Form in spannungsvollem Spiel zwischen geschlossenen Kuben und offenen Foyers wieder, alles in sachlicher Form, die die Nachbarschaft zum Dom und Alten Museum respektvoll anerkennt. Die Foyerhalle wird begleitet von einer Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen, neben den beiden Sälen gibt es Theater, Konferenzräume, Bars, Gaststätten, Jugendtreff, Galerien, Ausstellungsräume, Studios und noch mehr, alles in polyvalenter Weise sich gegenseitig steigernd und die vielfältige Benutzung anregend. Diesem Gedanken entspricht auch die umfassende Verwandelbarkeit des Gebäudeinnern, von der einfachen Trennungs- und Öffnungsmöglichkeit der Konferenz- und Clubräume durch Schiebewände über die raum- und richtungsneutrale Anordnung des Theaters zu multifunktionaler Nutzung bis hin zur einmaligen Veränderungsmaschinerie des Großen Saales, die nicht nur die Verwandlung vom geneigten Saalreihenparkett in einem ebenen Bankettsaal per Knopfdruck ermöglicht, sondern auch die perfekte Unterteilbarkeit in unterschiedliche Nutzungsgrößen von 5000 über 3500, 2000, 1500 bis zu 800 Sitzplätzen gewährleistet. Welch Unterschied zu herkömmlichen Kulturhäusern, Stadthallen oder Kongreßzentren ! Welch Leben auf dem Platz nach Aneignung des Hauses durch die Bevölkerung, letzteres auch in historischer Bedeutung: Erstmals war der Platz durch die Bevölkerung mit kultureller Nutzung besetzt worden !

Heute ist das Gebäude in nahezu asbestbefreitem Zustand, es ist also wieder für öffentliche Nutzung verfügbar. Vorhanden ist ein werthaltiger Rohbau auf aufwendiger Gründung, die ungefähr 50 % der Gesamtinvestitionen für ein solches Gebäude verkörpert. Wer will da leichtfertig von Abriss sprechen, zumal dieser aufgrund der komplizierten Gründungsverhältnisse nur mit höchst aufwendigen Technologien (Unterwassertiefenenttrümmerung) zu bewältigen wäre und weitere 30 % des obengenannten Wertes verschlingen würde, für Abriss. Mit dem gleichen Geld könnte der Ausbau des Gebäudes erfolgen, so als wäre 2002 Richtfest und 2003 Neueröffnung eines erneuerten Palastes, in neuem Stil und mit erweiterter Funktionalität, auf den Grundelementen des Gebäudes basierend.

Ohne Zweifel ist die stadträumliche Solitärstellung des Gebäudes problematisch, diese ist aber leicht zu relativieren, wenn man sich auf das schon immer geltende und auf der Museumsinsel so gut ablesbare Prinzip historischer Kontinuität bei Bau von Stadträumen besinnt: Jede Generation oder Zeitepoche trägt ihren Teil bei: Auf der Museumsinsel stehen Gebäude unterschiedlichster Entstehungszeit in friedlicher Koexistenz beieinander, warum kann der Palast da nicht mitspielen und von neuen Gebäude eingefasst werden.

Seit Jahren verfolge ich ein diesbezügliches Entwurfskonzept, das gegenüber dem grünen Lustgarten einen steinernen Stadtplatz vorsieht. Dieser wird begrenzt von einem neuen Museumsbau vor dem Palast in Höhe des Großen Saales, gegenüber dem Alten Museum stehend sowie seitlich begrenzt vom Palast und zu den Linden hin von einem neuen viergeschossigen Baukörper anstelle des ehemaligen Kopfes der Schlossfreiheit und an der Stelle des Schlüterturmes.

Dieser Platz wirkt als Pendant zum Lustgarten und gibt der Straße Unter den Linden einen würdigen und räumlich prägnanten Abschluss, mit integrierten Raumbeziehungen zum Lustgarten und Museumsinsel, zu den Linden, zum Friedrichswerder und der Kirche, aber auch zur Fischerinsel und über die große Foyerhalle bis zum Alexanderplatz. Die neue Mitte des historischen Berlins eben, ausgefüllt mit hochwertiger Nutzung in gegenseitiger Steigerung: Der Palast als Gebäude öffentlicher kulturell-kommunikativer Begegnungs- und Veranstaltungsnutzung, das neue Museum als Ort bedeutender Sammlungen von Objekten und Informationen der Weltkultur und das Gebäude an der Schlossbrücke als Museum für Schloss und Schlüter, in moderner und inszenierter Form Originalteile vom Schloss präsentierend und so an dieses auf intellektuelle und nicht auf nachgestellter Weise erinnernd.

Der Verfasser war 1972-76 als leitender Architekt in der Entwurfsgruppe Graffunder an der Planung und am Bau des Palastes der Republik beteiligt. Er schuf zahlreiche Bauten von Kaufhäusern über Bibliotheken und Kulturhäuser bis zu einem Kino und einem Rathaus. Er ist heute als Freier Architekt und Hochschullehrer in Berlin und in den neuen Bundesländern tätig, neben Wohn- und Handelsbauten ist eines seiner jüngsten Werke ein Museum auf dem Brocken.

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