Nach Invercargill

Gegen 3 wache ich auf, es fängt gerade an zu regnen und so gehe ich hinaus und spanne das Zelt noch etwas nach. Schlafe dann schnell wieder ein und wache so gegen 6 wieder auf. Gerade als ich beschließe aufzustehen, fängt es wieder an zu regnen und so bleibe ich noch etwas liegen.

Dann kommen noch zwei Autos vorbei, ich campiere ja fast direkt an der Straße und kurz darauf hält mich dann nichts mehr, ich stehe auf, ziehe gleich Regenklamotten über, denn der nächste Schauer kommt gerade herunter und außerdem ist es heute saukalt. Gepackt ist dann schnell, es stört nur, dass das Zelt mal wieder nass eingepackt wird. Und so mache ich mich etwas gefrustet auf den Weg - eher auf in den Kampf, denn der Wind weht heute nicht, sondern er bläst und bis Invercargill sind es ca. 80 km nur gegenan.

Ich versuche locker zu fahren und trotzdem voran zu kommen, aber so richtig klappt das nicht und ich schaffe es nicht einmal, mit mittlerer Kraft so 11 oder 12 km/h zu erreichen, dafür muss ich immer mächtig schwitzen. Auf Abfahrten werden es so dann auch bloß um die 20 km/h. Nachdem ich ca. 5km gefahren bin, kommt ein Hinweis auf den Camp, den ich gestern noch erreichen wollte, aber von hier waren es noch ca. 4 km bis dorthin und das wäre mir gestern auch zuviel gewesen.

Es geht hinab zur Halden bay, aber was heißt schon hinab bei diesem Wind. Auf Meeresniveau geht es dann entlang der Bucht, auf der Straße stehen Schilder, die vor tidal flooding (also Überschwemmungen bei Flut) warnen und die Gegend wird zum ersten mal seit dem Start schön. Sumpf oder Marschland, dazwischen einzelne wild zerfranste Bäume. Den Abstecher zum südlichsten Punkt der Südinsel spare ich mir, wäre natürlich für die Statistik wichtig, aber was bedeutet das schon? Ich kämpfe mich lieber weiter nach Westen. Denn jeder Meter ist hier heute Kampf, nur ab und zu gibt es eine kleine Entspannung.

Dann kommt mir plötzlich ein Radfahrer entgegen, wie sich dann herausstellt ein Slowene, der mir zuerst von der Schönheit seiner Heimat erzählt und mich dann nach dem Zustand der Straße vor ihm ausfragt und schließlich meint, Invercargill sei schrecklich und die Straße dahin sowieso - aber das hilft mir auch nicht.

Ich erreiche wieder die 92 und ab hier wird es so richtig heftig. Bis George Road schützen mich die Sträucher zwischen Fluss und Straße etwas, doch dann fallen immer wieder heftige Böen über mich her und versuchen mich umzuwerfen und vom Rad zu schubsen und ... einmal hilft nur anhalten gegen einen Sturz. Mein Schnitt sinkt weiter, aber dafür werden auch die Kilometer, die noch vor mir liegen immer weniger.

Dann eine orange Rundumleuchte vor mir und ich denke, wieder eine von diesen Straßenbaustellen, na toll... Aber sie steht nicht, sondern bewegt sich auf mich zu und das Auto fährt an mir vorbei und dann noch ein zweites und plötzlich taucht hinter der nächsten Kuppe ein Haus auf, ein Haus auf Rädern. Naja kein Haus, aber ein halber Schuppen wird da auf einem Tieflader durch die Lande geschaukelt und nimmt die ganze Straßenbreite ein.


Ein halber Schuppen unterwegs im Süden Neuseelands

Bis Invercargill passiert dann gar nichts mehr.

Invercargill ist die südlichste Stadt Neuseelands und irgendwie sowohl für die Kiwis als auch für Touristen sehr weit weg. Wenn ich unterwegs jemand fragte, kam meist als erste Antwort so etwas wie: Es ist sehr kalt dort. Auch heute ist das so, aber heute ist ja sowieso ein kalter Tag. Ein Tiefausläufer aus Richtung Antarktis hat die Temperatur auf Werte unter 10°C gedrückt. Die (Süd-)Küste ist hier nicht weit und bis dahin ist das Land flach, keine Berge erheben sich schützend zwischen uns und der Antarktis.

Die Stadt selber empfängt mich mit vielen freien Flächen und geraden Straßen und mit einem Willkommen in der "Friendly town, est. 1856". Das Zentrum bilden einige Straßen mit alten und auch neueren meist zweistöckigen Gebäuden. Kleine Ladenzeilen mit schönen Geschäften. Gleich nebenan befindet sich der Bahnhof, auf dem noch einige Personenwagen auf die Fahrt zurück nach Norden warten und noch etwas weiter ist der Zeltplatz.
Der Zeltplatz ist nicht nur Zeltplatz, sondern in erster Linie Rennbahn/Stadion und so wirkt alles etwas provisorisch.

Nach dem Zeltaufbau gehe ich noch etwas in die Stadt und auch in den gut sortierten Bike-Shop. Für mein Hinterrad kaufe ich einen neuen Schlauch mit langem Ventil. Seit Dunedin, wo ich die Felge wechseln musste, hatte ich ständig Schwierigkeiten beim Luft pumpen. Den Rundgang durch die Stadt beende ich bei McDonald, ist schon eigenartig, wie gut man sich an Burger als reguläre Mahlzeit gewöhnen kann. Und am Abend telefoniere ich noch mit meiner Mutti, die sich sehr freut, schließlich steht doch Weihnachten vor der Tür und da will sie wissen, wie es ihrem "Kleinen" so geht.

Am späten Abend geht die Welt fast unter. Auf der einen Seite sieht alles super aus, klarer Himmel und ein riesiger Mond scheint herab. Aber von SW ziehen sehr schnell und sehr dunkel Wolken heran. Eine mächtige Böenwalze fegt über den Platz. Dann ist alles aber ganz schnell vorbei und eine ruhige Nacht beginnt.

Jetzt überlege ich nur, was an der Stadt so schlimm sein soll, mir hat sie gefallen.

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