Ein Tandem hat unter bestimmten Voraussetzungen einige Vorteile gegenüber dem Verreisen auf getrennten Rädern. Da darüber aber schon an einigen Stellen viel geredet wurde, will ich die Punkte nur noch einmal kurz zusammen fassen:
Einer der Nachteile ist aber der hohe Preis, auch auf dem Gebrauchtmarkt. Und da es für uns die ersten Schritte in dieser Richtung waren, beschlossen wir, eines zu borgen.
In Berlin habe ich zwei Läden gefunden, die uns Tandems verborgen wollten:
Zum einen Zentralrad aus Berlin Kreuzberg. Der Laden befindet sich seit Jahren in der Oranienstraße und ich kannte ihn von vielen Besuchen in vergangenen Jahren. U.a. habe ich dort einmal mit einer Freundin ein Trek 930 in british-racing-green gekauft. Für mich damals einer der schönsten gemufften Stahlrahmen aus der Großserie. ... Blos leider war ich bei meinen Bemühungen einen "Erstkontakt" per Telefon herzustellen erfolglos.
Und so kam ich auf PEDALPOWER, die selbst entworfene Bikes und Tandems vertreiben. Der Kontakt war auch ziemlich easy hergestellt und alles war sehr locker. Dazu waren die Preise noch etwas günstiger und sollten beim Kauf eines Tandems angerechnet werden.
Problematisch bei einem geborgten "nackten" Tandem ist natürlich der Gepäcktransport, aber dafür baute ich ja auch den ANHÄNGER
Bevor wir nun auf große Reise gehen, wollten wir das Tandem natürlich erst einmal ausprobieren und sehen, ob wir überhaupt in der Lage waren, gemeinsam zu fahren. Das Tandems konnten wir bei PEDALPOWER völlig problemlos für einen Tag (hätten auch mehrere Tage sein können) borgen. Ein Tag heißt dann 24h, also z.B. von 17.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Ideale Voraussetzungen also.
Unser Plan sah vor, das Teil am Freitag Abend zu borgen und dann am Sonnabend wieder zurück zu bringen, auf die Art hatten wir zwar keinen ganzen Tag, aber das macht eigentlich ja auch nichts.
Als Tour haben wir eine Runde durchs östliche Berliner Vorland gewählt. Zuerst geht es mit der S-Bahn (der Laden von Pedalpower liegt sehr nahe zu den S-Bahnhöfen Ostkreuz, Rummelsburg und Nöldnerplatz) nach Berlin Neuenhagen. Von hier starteten wir Richtung Nordosten und durchqueren Altlandsberg. Bis Buchholz geht es noch auf der Straße weiter und von hier durch den Wald bis Strausberg.
Im Wald die erste richtige Herausforderung: die Wege sind sehr sandig und so müssen wir uns sehr konzentrieren, daß wir den möglichen Vortrieb auch wirklich umsetzen und dabei auch noch genug Gleichgewicht halten.
Durch Strausberg hindurch geht es wieder nach Süden und dann durch Petershagen und Fredersdorf wieder zurück zur S-Bahn. Insgesamt ca. 30 Kilometer, genau genug, um zu wissen, daß wir prinzipiell gemeinsam auf einem Tandem fahren wollen, aber auch genug, um eine genauere Vorstellung vom nötigen Bike zu haben. Und auch genug für den Beschluß, wirklich per Tandem in den Urlaub zu fahren.
Das Reise-Bike war ein Pedal Power Cross Country in 22"/20", daß wir im Laden am Donnerstag vor der Reise abholen sollten. Die Bestellung war im Grunde sehr locker, wobei für mich immer eine kleine Unsicherheit blieb.
Bereits nach unserer Probefahrt hatte ich das Tandem bestellt, wurde aber gebeten, mich noch einmal kurz vor der Reise zu melden. Das tat ich dann auch ungefähr zwei Wochen, bevor es losgehen sollte. Bei telefonischer Nachfrage war auch erstmal alles klar, aber ich soll mich dochnoch einmal in der nächsten Woche melden. O.K. also auch da nochmal anrufen, so langsam wurde ich etwas unruhig, denn eine wirklich konkrete Zusage hatte ich ja noch garnicht. Alles war so etwas verschwommen und ich hatte nur einen etwas kuriosen Zettel in der Hand.
Dann am Montag nochmal die Nachfrage: Ja das Tandem, ähm, ja wir arbeiten dran, wissen aber noch nicht, wann es fertig wird... , aber ruf doch übermorgen nochmal an!. Also am Mittwoch wieder eine ähnliche Auskunft, mit dem Zusatz daß es am Donnerstag (also Morgen) auf jeden Fall fertig sein wird.
Donnerstag bin ich dann hingefahren und es war nicht fertig. Die Jungs schraubten noch dran. Dabei wurde auch schnell noch die Frage des Vorbaus gestellt und ein anderer wurde montiert und nach fast einer Stunde Warten hatte ich das Tandem in der Hand.
Der erste Eindruck war zweigeteilt. Der Rahmen flößte auf Grund seiner dicken Rohre erstmal Vetrauen ein und die schwarze Lackierung sah gut aus. Aber statt der versprochenen Magura HS 33 war nur die HS 11 und statt der Schwalbe Big Apple war nur ein etwas schmalerer Reifen von Rubena (tschechischer Hersteller von Reifen) montiert. Das sollte uns dann auch noch Kopfzerbrechen bereiten...
Dazu kam, daß viele der Anbauteile eher billig wirkten und als Gruppe eine Shimano DEORE verbaut war - die Schaltung ist sicher o.k.- aber einiges Anderes für den Zweipersonenstreß vielleicht doch nicht haltbar genug. Da hatte ich schon Bedenken wegen der Haltbarkeit. Positiv zu vermerken war zum Beispiel die 48-Loch-Felge am Hinterrad, die doch wieder Vertrauen in die Stabilität des Bikes einlößte.
Ehe wir starteten, baute ich noch einige Teile um bzw. an. Im einzelnen waren das:
Für das Gepäck mußte nichts mehr angebaut werden, da wir ja den Anhänger benutzen wollen. Hier tauschte ich nur die Schnellspannachse gegen die mit der B.O.B. Aufnahme, dann konnte es losgehen.
Tandem fahren ist schon etwas besonderes. Die größte Schwierigkeit besteht für uns erst einmal darin, einen Rythmus zu finden, der beiden gefällt und trotzdem zügige Fortbewegung ermöglicht. In erster Linie mußten wir das Anfahren und Anhalten üben und unsere Trittfrequenz aufeinander abstimmen.
Vieles klappt besser, wenn viel geredet wird und so gewöhnten wir uns eine Reihe von kurzen Worten an, die unsere Reihenfolge beim Anfahren und Anhalten bestimmten, dazu versuchte ich, Besonderheiten der Strecke mitzuteilen - wie z.B.: da kommt ein Schlagloch, oder eine große Bodenwelle, ich schere nach links aus oder überhole das Auto... auf die Art fanden wir relativ schnell eine gute Basis und kamen sicher durch den Verkehr.
Schwieriger war es da schon, einen Weg bei der Trittfrequenz zu finden. Ich neige dazu eher schnell zu treten, Sabine tritt dagegen eher langsam. So kam es manchmal dazu, daß ich so doll beschleunigte, daß Sabine kaum noch mittreten konnte und ein Paar mal auch komplett den Kontakt zu den Pedalen verlor. Später versuchte ich, meine Frequenz etwas zu drosseln und einen härteren Gang zu fahren. So hatte Sabine es etwas leichter mit mir.
Wir hatten insgesamt 3 Platten, die ich alle auf schlechte Montage zurückführe. Ein Platten war vermutlich durch einen scharfkantigen Gegenstand verursacht, gut zu erkennen an einer sauberen Vertiefung im Schlauch. Die beiden anderen Platten hatten ihre Ursache im schlecht verlegten Felgenband. Der Schlauch war an der Innenseite in Breite des Felgenbandes perforiert. Hier half eine Rolle durchsichtiges Klebeband, daß ich nach 6 Tagen kaufen konnte.
Obwohl das Tandem schon in der größten Rahmengröße geordert war, kam es uns dochnoch etwas zu kurz vor (wir sind 1,89 und 1,80). Meine übrigen Räder sind alle eher lang und auch Sabine fühlte sich hinten etwas eingeschränkt.
Es nervte sehr, daß der Sattel vom captain nicht auf einer Höhe blieb. Ursache war vermutlich, daß keine wirklich passende Sattelstütze eingebaut wurde. Die Anpassung erfolgte nur durch eine entsprechende Hülse, die noch dazu eine sehr große Materialstärke hatte. Auch ein sehr starkes Anziehen der Sattelklemmung half nicht. Der Sattel bewegte sich pro Stunde um ca. 1 cm nach unten, so daß ich ihn 4 bis 5 mal am Tag wieder auf die richtige Höhe bringen mußte.
Auch der beste Sattel nutzt nicht, wenn irgendwie der Hintern schmerzt. Beim Normalen Bike ist das nicht so ein Problem, hier kann ich einfach aufstehen, wenns zu arg wird. Beim Tandem mußten wir uns immer kurz verständigen und dann aufstehen, wobei anhalten und eine Pause einlegen aber eigentlich der bessere Weg war.