Durchs Rainbowvalley nach Hanmer Springs

Von St Arnoud will ich durch die Berge nach Süden fahren, abseits der großen Straßen durch fast menschenleere Gegend. Es sind zunächst wenige Kilometer zurück auf der Straße von gestern abend bis zum Beginn der Straße über den Islandsaddle.

Die Straße schlängelt sich zuerst steil bergab, es geht durch dichten Wald immer entlang des Wairau Rivers. Nach zehn Kilometern endet der Asphalt und die Schotterpiste beginnt. Es kommen immer wieder kleine bei trockenem Wetter harmlose Furten und es geht weiter durch dichten Wald. Baumleichen liegen überall herum. Manchmal wird es sehr steil, sowohl bergauf, als auch bergab. Und dann kommen auch immer wieder Weidetore (Gates). Ein Abzweig führt zum Rainbow Valley Skigebiet.

Plötzlich weicht der Wald zurück und das ganze Tal ist zu überblicken. Ein weiteres Gate versperrt mir den Weg, auf einem Schild daneben steht, für Autos kostet die Weiterfahrt 20$, das geht mich ja nichts an, denke ich und fahre weiter.
Aber plötzlich, nach ca. 500 Metern, braust ein Geländewagen an mir vorbei, bremst direkt vor mir, eine Frau springt heraus und fragt mich fast schreiend, ob ich denn nicht lesen könne. Und da rechtfertige ich mich, aber sie erwidert nur für Biker kostet das 5$ wegen der Probleme? mit ihnen. Also gebe ich ihr einen zwanziger, sie braust damit zurück zu dem Haus, kommt mit einer riesigen Staubwolke zurück und dann kann ich endlich weiter fahren.

Die Landschaft wird ab hier karger. Der Wairau River verlässt das Haupttal und zwängt sich durch eine schmale Schlucht. Mein Weg folgt ihm da entlang. Die Vegetation hört dann fast komplett auf und plötzlich an einem weiteren Gate treffe ich einen anderen Radfahrer.
In meiner Richtung will er, sieht jetzt schon ganz schön mitgenommen aus. Erzählt mir, dass er endlich im Urlaub mal biken will und sagt zum Abschluss noch, ich soll mir keine Gedanken machen, everything is easy.



Die Piste wird jetzt ruppiger und an der nächsten Steigung komme ich an die Grenze meines Equipments. Der Schotter wird sehr lose und dazu wird es sehr steil, so drehen meine schmalen Reifen durch und ich muss absteigen und schieben. Wie ich das hasse.
Aber am Ende der Steigung kann ich wieder aufsteigen und kann weiter fahren. Doch schon an der nächsten Steigung das gleiche Spiel und ich denke, wenn das so weitergeht... Aber es folgt nur noch eine steile Steigung und dann öffnet sich das Tal.

Ich komme in eine weite Steppenlandschaft, den Horizont begrenzen schneebedeckte Berge. Die Ebene vor mir scheint so trocken, als ob es ewig nicht geregnet hätte. Die Gegend wäre ideal für einen dieser verstaubten Westernfilme. Es geht dann noch etwas weiter hoch, der Ausblick wird immer besser. Ich denke, dass es jetzt endlich abwärts gehen wird, aber nach einer kurzen Abfahrt biegt der Weg nach rechts in ein Tal ab und es geht weiter den Wairau River hinauf.
An einem kleinen Bach mache ich eine Pause. Der Wind wird kälter, die Wolken verdichten sich und werden dunkler. Sie drängen zum Aufbruch. Es geht weiter hinauf in ein schmales Seitental. Dabei wird es immer kälter, so kalt, dass ich mir die lange Hose und auch die Jacke überziehe.

Der Weg führt mitten über eine Weide und ich habe etwas Angst, dass die Kühe "komisch" reagieren, da sie Radfahrer nicht kennen. Der Wind wird noch etwas kälter und auch stärker und ich mache mich an die letzten Meter bis zum Pass.
Schon von weitem erkenne ich, wie steil der Weg zum Ende wird. Mit meiner kleinsten Übersetzung schiebe ich mich langsam Meter für Meter mit drei, vier km/h den Anstieg hoch. Eisiger Regen setzt ein. Der Wind weht ihn mit heftigen Böen über den Sattel. Ich habe Schwierigkeiten, mich auf dem Weg zu halten. Und das wirklich Anstrengende ist nicht die Steigung, sondern die extreme Anspannung. Ich benötige die ganze Wegbreite, um auf dem Bike zu bleiben.

Nach einer Ewigkeit bin ich endlich oben - der Island Saddle ist erreicht. Mit mehr als 1200 Metern über dem Meer der höchste Punkt, den ich in Neuseeland erreiche und er macht seinem Namen (wenn man ihn nicht übersetzt) alle Ehre. Das Wetter ist eher noch schlechter, als ich es jemals in Island erlebt habe. Starke Windböen peitschen mir den Regen entgegen und die Temperatur ist unter 5°C gefallen. Schnell bin ich komplett durchgefroren und wage mich an die Abfahrt. Warum habe ich bloß keine Handschuhe eingepackt?
Von der Abfahrt habe ich dann nicht sehr viel, denn sie ist so steil, dass ich nur am bremsen bin und mich mit ca. 20 km/h abwärts taste. Mehr ist mir in dieser abgelegenen Region einfach zu unsicher.

Das Wetter hat sich auf dieser Seite der Berge komplett gewandelt. Dicke tiefgraue Wolken schieben sich zwischen den Bergen heran, es regnet in Strömen, die Hänge sind weiterhin kahl und das Tal wird durch Weiden geprägt. Es erinnert mich jetzt irgendwie an das norwegische Fjell. Alles wirkt düster und abweisend.

Der eiskalte Regen und der starke Gegenwind wollen mich weiter auskühlen und ich muss hart arbeiten, um wieder etwas warm zu werden. Aber die Hände bleiben abgestorben. Entlang des Clarence Rivers geht es langsam abwärts. Ständig diese Kühe und immer wieder dieses mörderische Wellblech, viel schlimmer als in Island. Es macht überhaupt keinen Spaß.

Und dann kommt mir da auch noch dieser Typ in seinem dicken Geländebrummer entgegen und fragt mich allen Ernstes, ob ich auch wirklich die Maut für die Straße bezahlt habe. Haben die hier alle zuviel Zeit oder was soll das Ganze?

Nach einer weiteren Ewigkeit, als ich schon völlig das Gefühl für Zeit und Raum verloren hatte, kommt endlich ein Hof und ich denke, jetzt muss ich ja bald da sein. Aber die Straße wird nur besser und so geht es weiter. Und dann nach einer weiteren Ewigkeit geht es nach Süden über einen weiteren Pass, den Jollis Pass mit guten 1000 Metern. Aber es geht zum Glück nur moderat aufwärts.

Und dann kommt diese Abfahrt. Entlang einer tiefen Schlucht lass ich es noch mal richtig rollen. Weit unter mir sind entfernte Lichter zu erkennen. 30, 40, 50 km/h auf nassem Schotter. Es ist eigentlich viel zu schnell, aber egal. An der Grenze der Physik rausche ich abwärts, nur abwärts und komme nach 5 Kilometern endlich in Hanmer Springs an.
Ich wähle den Tourist Park zum campen, baue im Regen mein Zelt auf, schaufele eine riesige Menge Spagetti in mich hinein und die Welt ist wieder in Ordnung. Zum Schlafen gehen hört sogar der Regen noch auf.

weiter zum Milford Sound oder nach oben