In der Nacht schlafe ich sehr schlecht., aber wenigstens ist es warm. Und am Morgen ist es dann schon so warm, daß ich wach herumliege und darauf warte, dass es heller wird. Aber das dauert bis ca. 6.30 Uhr und dann stehe ich auf. Mein Kiwi aus dem Nachbarzelt ist schon beim Packen und als ich vom WC komme, hat er sein Zelt schon zusammengepackt. Ich brauche auch nicht so lange und starte gegen 7.15 Uhr. Hoch die 3 Kilometer und dann weiter zum Cape Reinga, dieselbe Straße, die ich gestern bereits zweimal gefahren war.
Am Cape steht sogar schon ein Auto. Aber ich halte mich nicht lange auf, sondern fahre gleich den Wanderweg hinunter. Er hat genau die Breite eines dieser 4x4-Motorräder. Zuerst geht es langsam aber zum Ende immer steiler abwärts. Teilweise ist es so steil, dass ich lieber schiebe und mit gezogenen Bremsen abwärts rutsche.
Und dann ist endlich der Strand erreicht und ich kann mich wieder auf mein Bike schwingen.
Voraus liegt Cape Maria van Diemen, links haushohe Dünen rechts die nicht enden wollende geniale Brandung. Die Wellen brechen auf den Strand und der Wind fetzt die Gischt davon. Der Strand ist menschenleer und keine einzige Spur am Ufer. Leider kann ich nur wenige Kilometer fahren, dann kommt ein kleiner Fluss und dahinter beginnen die Dünen.
Der Fluss ist sehr tief und gerade breit genug, dass ich mir nasse Füße hole. Gleich danach geht es steil bergauf und ich zerre das voll beladene Bike über den schmalen Weg und laufe selbst im kniehohen Gras. Und plötzlich ist ein einsamer Wanderer vor mir, der gerade sein Nachtlager abbricht.
Das Gras ist schnell durchquert und was folgt ist Sanddüne. Der Sand ist mal weich und tief , dann wieder hart oder weg geweht. Immer wieder versuche ich zu fahren, aber es gelingt mir nur einige mal, abwärts zu rutschen. Dann folgt wieder ein langsamer qualvoller Anstieg durch den Sand. Bald tut mir die Schulter vom ziehen weh.
Aber diese Dünenlandschaft wirkt nicht wie von dieser Welt. Oben hängen die tiefgrauen Wolken unten das Meer und dazwischen endloser Sand. Rot, schwarz, gelb, grau... . Außer grün sind alle Farben vorhanden, wirken aber ohne die fehlende Sonne sehr blass und farblos.
Nach gut zwei Kilometern ist das Ende der Düne fast erreicht und zwei Wanderer kommen mir entgegen. Sie fragen, ob ich hier entlang fahre, aber ich kann nur erwidern : "I try it". Dann liegt da eine Sandale und ich denke, hinter den beiden herlaufen kann ich nicht, aber damit sie sie besser wiederfinden, werde ich sie an einem dieser Markierungspfähle befestigen. Aber da kommt das Mädchen auch schon zurück und damit sie nicht so weit laufen muss, gehe ich ihr etwas entgegen. Als Dank bekomme ich ein traumhaftes Lächeln und dann rutsche ich weiter die Dünen abwärts.
Dann endet der Sand und Busch beginnt. Der Weg wird fahrbar und ich komme wieder so schnell wie ein Radfahrer voran. Es geht wieder hinab an einen Strand, zwei Kilometer auf ihm entlang und dann steil hinauf zurück in den Busch.
Jetzt folgen einige Kilometer im Busch und es geht dabei immer kurz hinunter und dann gleich wieder steil hinauf. Ich bin immer stark am Bremsen, oder muss absteigen, um einige Anstiege hinauf zu schieben.
Allmählich komme ich so immer höher und plötzlich liegt der 90-mile-beach vor mir, besser tief unter mir. Und der Weg wird immer steiler und dann wird er so steil, dass ich schon Probleme habe, zu schieben oder zu rutschen. Dann kommt noch mal ein kurzer Anstieg mit einer Treppe. Ich wuchte das Bike hoch – ohne Gepäck wäre das easy – und stehe vor einer unheimlich steilen Treppe, die hinunter zum Strand führt.
Abwärts ist noch schlimmer als hinauf, beide Bremsen ziehen, den Sattel irgendwo über der Schulter und Stufe für Stufe hinunter. Endlich unten kommt loser Sand, ich schiebe zum Strand und dann beginnt es endlich zu rollen. Rollen ist nicht ganz richtig, denn für die gut 20 km/h muss ich ganz schön treten. Die erste Etappe ist damit nach großen Mühen geschafft, denn für diese 21 Kilometer habe ich gut 2 ½ Stunden gebraucht.
Auf dem 90-mile-beach weht der Wind leicht schräg von hinten. Er schiebt fast nicht, sondern bläst nur Unmengen an Sand über den Strand. Der Strand ist sehr flach und so brechen die Wellen früh. Der Wind weht die Gischt davon und dann laufen sich die Wellen tot.
Voraus wird Matopia Island immer größer und das Loch immer deutlicher zu erkennen. Und ich genieße es, über den Strand zu fahren, die Brandung zu sehen und zu hören und den Geschmack von Salz auf den Lippen zu spüren.
Allmählich zieht sich der Himmel zu, wird immer grauer. Dann kommt der erste Bus und gleich noch einer und ich fühle mich wie auf einem Highway. Die Autos bisher haben das Gefühl nie so deutlich werden lassen, aber die 14 Busse innerhalb von gut einer Stunde schon.
The Bluff ist die letzte Landmarke am Strand. Diese Felsnase schiebt sich etwas in die Tasman Sea, dazu viele Angler und eigentlich ein guter Platz für eine Pause. Aber gerade jetzt fängt der nächste Regenguss an und schnell bin ich nass und an eine Pause ist erst mal nicht mehr zu denken.
Als der Regen kurz nachlässt esse ich zwei Müsliriegel und schon fängt es wieder an, stärker zu regnen und ich fahre weiter. Aber dann hört es zum Glück dochnoch auf und nach weiteren 10 Kilometern esse ich endlich richtig. Der Wind bläst dabei ohne Ende Sand aus den Dünen und allmählich bekomme ich das Gefühl, da ist mehr Sand im Müsli als alles andere.
Als ich weiterfahre, hört der Regen auf, es wird wärmer. Nur weit vor mir und irgendwo hinter mir hängen noch die dunkelgrauen Wolken am Himmel. Der Wind führt die warme Luft von der Düne mit sich und mir wird angenehm warm.
Dann wird die Fahrt allmählich eintönig, ich muss an den Mountainbike-Führer denken, wo die Strecke gut beschrieben ist, denn da steht nur - it's very stupid. Und wenn es zu langweilig wird, soll man einfach die Augen zu machen und wenn das nicht reicht, um die Spannung zu steigern, soll man auch noch die Hände vom Lenker nehmen.
Ich probiere zuerst nur die Augen zu schließen und fahre so 10, 20 Meter, mache sie dann aber doch lieber auf und schaue zurück auf meine Fahrlinie, sie ist fast gerade. So probiere ich einige Kilometer der Strecke herum, aber irgendwann reicht es mir damit und fahre wieder mit offenen Augen.
Die Eintönigkeit hat aber weitreichendere Folgen, irgendwann habe ich den Bezug zum Ort verloren, fühle mich eher wie auf einem Ergometer vor einer großen Leinwand, wo ein Film abläuft. Nur dass der Film klemmt, so dass das Bild sich nicht verändert. Dazu läuft ein Tape mit Meeresrauschen und ab und zu kommt einer mit einer Gießkanne oder einem Wassersprüher und sorgt dafür, dass ich nicht trocken werde.
Der Ausschnitt vor mir ändert sich eigentlich nicht. Links Düne, voraus graue Wolken, rechts die Brandung, die sich auf dem flachen Strand totläuft. Ab und zu ein Auto, das war's. Wäre der Kilometerzähler nicht, würde ich denken ich stehe.
Nach 45 Kilometern auf dem 90-mile-beach kommt der beschilderte Abzweig nach Pukenui und nach 69 Kilometern endlich der nach Kaitaia, wo ich den Strand verlasse. Aber am Ende bin ich froh, diesen Weg genommen zu haben, denn zweimal die Straße zu fahren, wäre wohl ähnlich eintönig geworden und so kann ich sagen - it was a really stupid and straneous fun. Denn Spaß war es trotz der Eintönigkeit.
Gleich hinter der Düne liegt eine Siedlung mit Campingplatz und am Straßenrand steht ein Hund, aber der registriert mich zum Glück nicht. Dann geht es kurz durch einen kleinen Wald und ich erreiche wieder den Highway Nr. 1 und habe vom Cape ca. 4 Kilometer weniger gehabt, als auf dem Hinweg.
Bis Awanui habe ich dann Gegenwind, danach beginnt es zu fliegen. Der Wind schiebt gut. Über Kaitaia, wo ich im Supermarkt noch einkaufe, fahre ich nach Ahipara, meinem heutigen Etappenziel. Ahipara liegt am südlichen Ende des 90-mile-beach und so hätte ich auch bis hierher am Strand fahren können. Die Sonne kommt noch mal kurz heraus und ich kann in Ruhe das Zelt aufbauen.
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weiter zum Lake Waikaremoana oder nach oben