Unterwegs in der Puszta

Heute wache ich mal wieder sehr früh auf, aber um Sabine nicht zu wecken, schreibe ich erst einmal das Tagebuch. Halb acht muß ich dann aber doch raus, die Sonne kommt bald über den Damm und der Tag beginnt.

Auf dem Camp ist zu dieser Zeit noch Ruhe. Die Treppe hoch zum Damm wird gefegt und die Toilette wird gerade geputzt. Als ich zurück komme, ist Sabine gerade aufgestanden und verschwindet erst einmal. In der Zwischenzeit packe ich. Ich will bald los, damit wir heute abend nicht wieder so lange gegen den Wind kämpfen müssen, wie gestern.

Als ich gerade den Hänger packe, kommt unser Nachbar vorbei und hat anerkennende Worte zu unserem Hänger, er fragt auch nach dem wohin und woher. Leider wird es kein längeres Gespräch, da uns einfach die Sprachkenntnisse fehlen.

Unser erster Weg des Tages führte uns noch einmal zur Staumauer an der Tisza.Von hier fahren wir einige hundert Meter auf der Dammkrone, ehe wir wieder auf die Straße kommen. Auf einer gemeinsamen Eisenbahn- und Straßenbrücke überqueren wir den Fluß. Die Verkehrsregelung übernehmen die Bahnschranken. Während wir über die Brücke fahren, nervt der Autofahrer hinter uns mit seiner Hupe. Ausweichen will ich jedoch nicht, die Rille in der Schiene ist so breit, daß ich nicht hinüber fahren will und außerdem ist die Brücke auch so schmal, daß er uns kaum gefahrlos überholen könnte.


Staumauer Kisköre | kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke

Nachdem uns die Kolonne auf der östlichen Seite des Flusses überholt hat, ist es leer auf der Straße. Wir wenden uns nach Süden und wollen in Tiszaroff den Fluß mit einer Fähre wieder überqueren. Die Fähre kenne ich noch von meiner letzten Ungarnreise 1988, als ich mit meinen Eltern hier war.

Aber heute fährt keine Fähre. Die Tisza hat zu wenig Wasser und die Fähre liegt gut vertäut an unserem Ufer. Auf der anderen Seite laufen Menschen bis fast zur Flußmitte und befinden sich dabei doch in nur knietiefem Wasser.

Wir überlegen, ob wir entlang des Flusses auf der Dammkrone bis zur nächsten Fähre fahren sollen. Das wäre mit ca. 20 Kilometern einiges kürzer als auf der Straße zu fahren. Aber wegen der doch sehr rauhen und löcherigen Oberfläche des Weges entscheiden wir uns doch dagegen. Die Straße schlängelt sich kreuz und quer durch die Puszta und so kommen wir unserem Ziel nur langsam näher.

Vor Fegyvernak sehen wir, wie Kürbisse mit einem Pflug zum Ernten zusammen geschoben werden. In Fegyvernak machen wir im Schatten eine kurze Pause. Und kaum, daß wir angekommen sind, bekommen wir auch schon "Besuch". Ein ca. 16-jähriger will uns Zigaretten verkaufen. Er ist dabei so penetrant, daß wir uns ihm nur durch unseren Aufbruch entziehen können.

Hier kommen wir auf die Nationalstraße Nr. 4 und damit wieder auf eine für Radfahrer verbotene Straße. Es ist für uns wieder faszinierend, wie da einfach ein Schild steht, wir aber keine Alterantive erkennen können. Oder sollte es diese Staubstraße da hinten sein? So fahren wir einige Kilometer, ehe ein Radweg beginnt, durch den dicken Verkehr.

Der Wind bremst uns jetzt schon wieder aus, dabei ist es erst zwei. Die Straße gabelt sich bald und wir biegen nach Törökszentmiklos ab. Am Ortseingang ein kurzer Stop an einer Ziegelei. Hier werden die Ziegel noch wie vor Urzeiten an der Luft getrocknet, ehe sie dann im Ofen gebrannt werden.

Die ersten Häuser im Ort sehen sehr ärmlich aus, wir sehen viele Radfahrer und vor allem ältere Autos aus osteuropäischer Produktion. Da wir Hunger haben, suchen wir etwas zu essen, aber nur die Tankstelle bietet etwas "fertiges" an - Hamburger und Baguette in der Mikrowelle erwärmt. Es ist nicht besonders lecker oder originell, aber es füllt unsere Mägen.

Hinter Törökszentmiklos geht die Straße fast geradlinig für viele Kilometer geradeaus. Dabei läuft eine Bahnlinie parallel zu ihr. Die Sonne strahlt so hell, daß alles leicht verschwimmt und der Horizont sich im Nichts zu verlieren scheint.

In Baghymajor sehen wir eine alte kleine Kirche, direkt daneben einen Haltepunkt und eine Windmühle. Wir nutzen den Ort für eine kleine Pause, machen einige Bilder und fahren dann weiter bis Kengyel, wo ich mal wieder den Sattel hochstellen muß.

Wir halten direkt vor einem kleinen Laden, der gerade umgebaut wird und noch während ich das Bahnsignal gleich nebenan fotografiere, kleben an der Scheibe plötzlich vier Bauarbeiter, die Sabine anstarren. Und als wir dann aufbrechen, kommen sie sogar heraus und sagen noch irgendwas zu uns, blos was?

Hinter Martfü versuchen wir erneut, eine Fähre über die Tisza zu nehmen. Die Autos, die uns auf dem Weg zum Fluß bedrängen und überholen, scheinen uns auch recht zu geben, daß dort wirlich eine Fähre fährt. Aber am Fluß ist die Fähre auf Land gezogen und viele Menschen liegen am Strand, die Menschen wollten also nur Baden.

Also müssen wir wieder zurück zur Straße fahren, diesmal schiebt uns zum Glück der Rückenwind.

In Tiszaföldvar können wir, obwohl heute Sonntag ist, eine Kleinigkeit einkaufen. Wir hätten sogar Brot bekommen können.

Ab hier macht uns auch der Gegenwind wieder mehr zu schaffen und wir quälen uns relativ langsam am Straßenrand entlang. Beim einhundertsten Tageskilometer haben wir uns eine Pause vorgenommen und wie durch ein Wunder kommen wir genau hier zu einem Hinweis zu einem Bufé und auch auf eine Fähre. Diese ist in unserer Karte nicht einmal enthalten.

Wir essen zwei leckere frisch zubereitete Hamburger und fragen dann den Wirt, ob die Fähre auch wirklich fährt. Er holt nochmal seine Brille hervor, um genau erkennen zu können, welche wir meinen und erklärt uns dann gestenreich, daß diese Fähre fährt und es "nix problem" ist und nur 6 Kilometer bis dort und auch bis 20.00 Uhr gefahren wird.


Fähre bei Tiszakecske

Also biegen wir hinter dem Bufè erneut von der Straße 442 ab und stemmen uns dem Gegenwind grimmig entgegen. Nach ca. 4 Kilometern kommt ein Ort und dann zeigt ein Hinweis auf eine kleine Straße, die ins nichts zu führen scheint. Kein Auto weit und breit, aber wir fahren weiter, denn die Richtung stimmt eigentlich.

Und als wir schon denken, hier passiert dann doch nichts mehr, steht plötzlich ein Auto vor uns und direkt dahinter geht es hinunter zum Fluß. Als wir unten ankommen, ist die Fähre auch schon an unserem Ufer, die Autos fahren hinunter, wir rauf und gleich geht es über den Fluß. Der Fährpreis beträgt nur 300 Forint.

Bis zu unserem heutigen Ziel ist es nicht mehr weit. Tiszakecske ist bald erreicht und im Ort gibt es auch einen großen Hinweis auf den Kemping. Nach einem ABC-Markt biegen wir von der Hauptstraße ab und kommen zu einer Schmalspurbahn. Aber es ist kein Zug zu sehen. Die zweite Station erreichen wir dann kurz vor dem Kemping, aber auch hier ist der Zug schon wieder weg...

Der Kemping gehört zu einem Thermalbad, aber leider kommen wir so spät (kurz nach 19.00 Uhr) an, daß das Bad schon wieder geschlossen ist. Und so bleibt uns nur, hinter all den deutschen Wohnwagen auf dem festen Lehmboden ein halbwegs gerades Stück für unser Zelt zu suchen. Das Bad müssen wir dann morgen in "Angriff" nehmen.